Konzept

Der Umgang mit Tieren ermöglicht auf natürliche Art und Weise die Entwicklung  und Förderung persönlicher Kompetenzen. Diese stärken Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und bilden damit ein Rüstzeug, um sich auch in belastenden Lebenssituationen zurechtzufinden.

Hohes Selbstwertgefühl
Im Umgang mit Tieren erfährt der Mensch bedingungslose Akzeptanz und stärkt somit sein Selbstwertgefühl. Wo das Tier den Menschen so annimmt, wie er ist, kann auch der Mensch beginnen, sich so anzunehmen wie er ist (Otterstedt, 2001, S. 87). Das Tier reagiert auf das  Verhalten seines Gegenübers. Es ist für seine Zuwendung unerheblich, ob der Mensch, der den Kontakt zu ihm sucht, gesellschaftlich gewünschten Normen entspricht. Hyperaktive Kinder, aber auch behinderte Kinder, die durch ihr Verhalten immer wieder auf Ablehnung stoßen, sehen im Umgang mit einem aktiven Tier, dass sie trotz dieser Verhaltensweisen liebenwert sind (vgl. Otterstedt, 2001, S. 95). Bei der Tierversorgung werden eigene Kompetenzen spürbar, das Kind erlebt das Gefühl wichtig zu sein und gebraucht zu werden. Für seine Bemühungen und Streicheleinheiten wird es mit Anerkennung und kontinuierlicher Zuneigung vom Tier belohnt (Bauer / Schmittat). Durch den besonderen Kenntnisstand erfährt das Kind selbstwertstärkende Rückmeldungen. Eine positive Entwicklung zeigen insbesondere Kinder mit einem anfänglich schwachen Selbstwert (Endenburg, 2003).

„Temperament“
Der Umgang mit Tieren wirkt, da er alle Sinne anspricht und darüber hinaus Trost, Ablenkung und Aktivierung bietet, entspannend und ausgleichend (Otterstedt, 2001). Während der intensiven Beschäftigung mit dem Tier ist die Konzentration auf diese Tätigkeit erforderlich. Dadurch werden Sorgen zeitweise vergessen. Es entstehen Situationen, über die gelacht werden kann. Menschen werden im Zusammensein mit Tieren selbstzufriedener und zeigen vermehrt positive Emotionen (Breitenbach / Stumpf, 2003). Unruhige und aggressive Kinder können über den Kontakt mit den Tieren hinaus körperliche Aktivität, wie Ställe misten, Wassereimer schleppen, den Misthaufen umschichten angeboten werden. Dadurch findet das Kind ein Ventil für seine inneren Spannungen und kann die Erfahrung machen, dass es durch kooperative Verhaltensweisen Leistung erbringen und Anerkennung finden kann.

Gute kognitive Begabung
Durch den Umgang mit Natur und Tier findet eine Erweiterung des Allgemeinwissens statt. Dies gilt insbesondere bei artgerechter Haltung, die das Beobachten artspezifischer Verhaltensweisen und Ansprüche erlaubt (Simantke, 2006). Es ergibt sich wie selbstverständlich ein anschauliches Verstehen von sachlichen Zusammenhängen. So ist es möglich, dass das Kind Verpaarungen bei Tieren beobachten kann, es wird konfrontiert mit Geburt, Aufzucht der Jungtiere und Tod. Durch die Versorgung der Tiere erwirbt es Kenntnisse über artgerechte Haltung und Ernährung, sowie über die artspezifischen Verhaltensweisen der Tiere. Ungeliebte Bereiche, wie z.B. Mathematik, geben in der Arbeit mit Tieren einen Sinn, beispielsweise wenn es darum geht zu errechnen, ob die vorhandene Futtermenge für die Tiere bis zum nächsten Termin ausreicht oder ob vorher etwas nachgekauft werden muss. Dies erhöht die Motivation sich mit sonst eher unbeliebten Aufgabenfeldern auseinanderzusetzen. Darüber hinaus erwirbt das Kind Kenntnisse, wie und wo es sich Wissen aneignen kann (Bull, 2005). Der Lernprozess greift effektiver, da der Tierkontakt die Konzentration fördert (Endenburg, 2003) und die Aufmerksamkeit fokussiert (Olbrich, 2003 S. 74).

Körperliche Gesundheit

Die Begegnungen mit Tieren finden vorwiegend im Freien statt, die Versorgung der Tiere oder das Spiel mit ihnen fordert körperliche Aktivität. Durch die taktilen Reize auf unserer Haut werden körpereigene Hormone stimuliert, die u.a. unser Immunsystem stärken und uns schmerzunempfindlicher machen (Otterstedt, 2001, S. 46). Die körperliche Betätigung bildet einen wertvollen Gegenpol zu der oft einseitigen Tagesgestaltung vieler Kinder, die vorwiegend aus sitzenden Tätigkeiten (Schule, PC, TV) besteht.  Durch die gemeinsame Versorgung der Tiere kann auch das Thema gesunde Ernährung aufgegriffen werden. Körperliche Aktivität trägt zum Kalorienverbrauch bei, wovon vor allem übergewichtige Kinder profitieren können. Während der Arbeit mit den Tieren, die oft mit schmutzigen Händen verbunden ist, wird nicht gleichzeitig gegessen. In diesem Zusammenhang findet auch eine Auseinandersetzung mit Hygiene statt, z.B. indem verständlich wird, warum es sinnvoll ist, vor dem Essen die Hände zu waschen oder Lebensmittel daraufhin zu kontrollieren, ob sie noch genießbar sind.

Kreativität
In den vielen unterschiedlichen Situationen, die sich im Kontakt mit Natur und Tieren ergeben, müssen situationsbedingte, neue Verhaltensstrategien entwickelt werden. Zwar ist das Verhalten bekannter Tiere weitgehend kalkulierbar, es entstehen jedoch auch immer wieder Situationen, die nicht vorherzusehen sind und denen sich gestellt werden muss. Die Entwicklung gemeinsamer Spiele mit einem Tier oder die Gestaltung artgerechter Tiergehege regen die Phantasie und die Bereitschaft zum Ausprobieren an. Beim Einsatz von Insekten können für kurzzeitig eingefangene Exemplare Behausungen aus Naturmaterialien gebaut oder Geschichten rund um das Tier erfunden werden (vgl. Drees, 2003).

Überzeugung in die eigene Handlungskompetenz

Die Versorgung eines Tieres sicherstellen können, ermöglicht zu erkennen, dass etwas Bedeutsames geleistet werden kann. Im Umgang mit den Tieren kann die Erfahrung gesammelt werden, dass es gelingt, eigenständig Lösungsstrategien zu entwickeln und damit Probleme zu lösen. Durch die direkten Reaktionen auf eigenes Handeln, erlebt das Kind nachvollziehbare Konsequenzen und macht die Erfahrung des Ursachen-Wirkungs-Prinzips (Otterstedt, 2001, S. 50). Durch gelungene oder gescheiterte Interaktionen wächst das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Zusätzlich wird die Erkenntnis gewonnen, Situationen kontrollieren und mitgestalten zu können.

Optimismus, Genuss und Erlebnisfähigkeit
Tiergestützte Angebote ermöglichen es, sorgenfreie und schöne Situationen zu erleben. Entsprechende Freiräume vorausgesetzt, animieren Tiere zu kreativem Spiel und regen die Phantasie und Erlebnisfähigkeit an (Bauer / Schmittat, 2002). Das Erfahren von Nähe und Akzeptanz sowie das Spüren von Natur macht eine positive, optimistische  Grundhaltung zum Leben möglich, wodurch schwierige Lebensphasen besser ausgehalten werden können. Tierhalter schätzen an ihren Haustieren besonders, dass sie durch diese viel Freude, Spaß und Ablenkung  haben und die Tiere damit auch unterstützend in kritischen Lebensphasen wirken (Bergler, 2000).

Impulskontrolle
Tiere reagieren SOFORT und immer auf die gleiche Art auf unangemessenes Verhalten ihres Gegenübers. Sie erweisen sich damit als verlässlicher und konsequenter Interaktionspartner, ihre Handlung ist kalkulierbar. Gemeinsam mit dem Kind können die Hintergründe des Verhaltens des Tieres reflektiert werden, so dass es sich dadurch nicht abgelehnt oder kritisiert fühlt, sondern erkennt: Ich trage einen Anteil an dieser Situation, aber nicht die alleinige Verantwortung. Verhaltensalternativen können auf dieser Basis wertfrei erarbeitet und ausprobiert werden. Da die Motivation, mit dem Tier in Kontakt zu bleiben, in der Regel sehr hoch ist, besteht die Bereitschaft sich zurückzunehmen, eigenes Verhalten zu überdenken und zu steuern. Das Tier ist nicht nachtragend und das Kind kann so, ohne die Erfahrung persönlicher Ablehnung und Verletzung, den Eigenanteil am Entstehen von Konflikten erkennen, Handlungsalternativen entwickeln, ausprobieren und einüben.

Durch das Erkennen und Einhalten von Verhaltensregeln im Umgang mit dem Tier lernt das Kind damit die Erfordernis der Selbstkontrolle (Otterstedt 2003, S.67) und übt sich in Geduld (ebenda, S. 92). Es lernt, dass unangemessenes Verhalten zu unerwünschten Reaktionen führt. Lebhaften Kindern mit barschen Umgangsformen werden schnell und deutlich die Grenzen aufgezeigt. Das Kind kann ohne Druck von außen üben, eigene Impulse zu kontrollieren und zu entscheiden, wann es richtig ist, den Bedürfnissen des Tieres nachzugeben oder sich durch gewaltfreies und ausdauerndes konsequentes Verhalten durchzusetzen.

In der Beobachtung von Tiergruppen, die nach einer festgelegten Rangordnung leben, lernt das Kind die Bedeutung von Umgangsregeln kennen. Es kann erfahren, dass diese dazu dienen, ständige und unnötige Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe zu vermeiden und damit die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander darstellen. Der geregelte Zusammenhalt in der Gruppe garantiert dem Einzelnen Schutz und befriedigende Sozialkontakte. Über die gemeinsame Beobachtung lässt sich der  Bezug zu zwischenmenschlichen Kontakten herstellen, indem überlegt wird, wo es auch dort eine Rangordnung gibt (Familie, Schule, Gleichaltrigengruppe), wie und warum Tiere wie Menschen untereinander ihre Position klären müssen und wie dies möglichst gut gelingen kann.

Durchhaltevermögen
Im Kontakt zwischen Mensch und Tier kommt es zu Kommunikations- und Interessenkonflikten, sowie zu nicht vorhergesehenen Schwierigkeiten. Diese treten jedoch in einem entspannten, spielerischen Rahmen auf. Mögliche Situationen des Scheiterns finden in einem neuen Kontext statt, sie sind durch bisherige Erfahrungen nicht vorbelastet. Dies erleichtert es dem Menschen auf Frustration nicht mit Abbruch der Situation zu reagieren, sondern am Ball zu bleiben (Möhrke, 2006). Die Erfahrung, durch Einsatzbereitschaft, Kooperation und flexible Denkweisen Probleme bewältigen zu können, schafft Vertrauen, auch in anderen Lebensbereichen Schwierigkeiten gewachsen zu sein und fördert das Durchhaltevermögen, wenn erste Versuche sich als nicht erfolgreich erweisen. Diese Erfahrung, dass Ausdauer sich lohnt,  kann als sinnvolle Verhaltensweise in andere Lebensbezüge übernommen werden.

Hilfsbereitschaft
Das Tier ist abhängig und auf Unterstützung / Ermunterung angewiesen, um zu überleben und Aufgaben zu bewältigen. Das Kind erlebt die Sinnhaftigkeit seines Handelns und bekommt SOFORT ein positives Feedback, das zu Wiederholungen des hilfreichem Verhaltens anregt. Durch gegenseitige Unterstützung bei der Versorgung und im Umgang mit dem Tier kann die Erfahrung, dass Hilfsbereitschaft sich für alle Beteiligten lohnt, auch auf den Mensch-Mensch-Kontakt übertragen werden.

Aktives Einfordern von Hilfen

Da, wo die eigenen Fähigkeiten  nicht ausreichen, muss Hilfe von anderen erbeten werden. Insbesondere in der Versorgung und im Umgang mit größeren Tieren wird der Mensch mit seinen eigenen körperlichen Grenzen konfrontiert. Er benötigt z.B. Hilfe um einen Parcours aufzubauen oder schwere Wassereimer zu tragen. Aber auch im Kontakt mit kleinen Tieren kann es vorkommen, dass das Verhalten eines Tieres nicht verstanden wird und erklärt werden muss, um Lösungsstrategien entwickeln zu können. Dieser Prozess ist nicht einseitig.  Kinder können in diesem Rahmen erleben, dass sie auch für Erwachsene hilfreich sein können, was einseitige Abhängigkeitsverhältnisse auflöst und das Selbstbewusstsein stärkt. Es kann erlernt werden, dass Hilfsbereitschaft nicht bedeutet, eigene Grenzen zu überschreiten und sich aufzuopfern.

Kommunikationsfähigkeit

Im Kontakt mit dem Tier steht die nonverbale Kommunikation im Vordergrund. Sie ist die Sprache der Beziehung, der frühen Kindheit. Das unvoreingenommene Angenommensein durch ein Tier schafft die Möglichkeit, Korrekturen des ersten Dialoges vorzunehmen. Die für die Entwicklung grundlegenden Erfahrungen wie Aufbau von Vertrauen, Selbstwert und Eigeninitiative können teilweise nachgeholt und verinnerlicht werden. Darüber hinaus fördert der Umgang mit Tieren die Aufmerksamkeit in Richtung der analogen Kommunikationsanteile, denn Tiere nehmen vorrangig die analogen Anteile der menschlichen Kommunikation wahr und reagieren auf diese (Bauer / Schmittat, 2002). Umgekehrt teilt sich auch das Tier dem Menschen fast ausschließlich durch nonverbale Signale mit. Der Mensch wird dadurch sensibilisiert und geschult Körpersprache wahrzunehmen und zu interpretieren. Gleichzeitig rücken die selbst gesendeten nonverbalen Anteile stärker ins Bewusstsein. Dadurch ist es möglich, zu einer höheren Stimmigkeit im eigenen Kommunikationsverhalten zu gelangen und eindeutigere Botschaften zu senden. Eine stimmige Kommunikation erleichtert nicht  nur im zwischenmenschlichen Bereich das Miteinander, auch auf der innerpsychischen Ebene kann eine Abstimmung zwischen Gefühlen und Bewusstsein stattfinden (Bull, 2005). Der Umgang mit Tieren regt aber auch die verbale Kommunikation an, indem ein sprachlicher Austausch untereinander stattfindet oder dem Tier Sorgen und Nöte anvertraut werden. Auf diesem Weg wird der Wortschatz erweitert. Aussprache, Formulierungen und für den Zuhörer nachvollziehbare Strukturierungen werden geübt (ebenda).

Empathie
Die Befindlichkeit des Tieres ist wichtiger BESTANDTEIL des pädagogischen Prozesses. Der Pädagoge reflektiert gemeinsam mit dem Kind WIE und WARUM das Tier sich in einer bestimmten Art und Weise verhält und unterstützt es in seinen Bemühungen das Tier zu verstehen (Empathie zu entwickeln), um den Kontakt mit ihm erfolgreich gestalten zu können. Der Pädagoge nimmt an dieser Stelle die Funktion des Übersetzers ein. Tiere leben Authentizität vor, fordern diese auch von ihrem Gegenüber ein und setzen umgehend klare Grenzen. Damit sich ein gutes Miteinander entwickeln kann, müssen Mensch und Tier ihre gemeinsame Sprache finden. (Otterstedt, 2001, S. 169). Um im Kontakt mit dem Tier zu bleiben ist es notwendig, das eigene Verhalten auf das tierische Gegenüber abzustimmen. Da Tiere über andere Kanäle kommunizieren fordern sie Stimmigkeit im Verhalten des Menschen. Die bewusste Wahrnehmung und Berücksichtigung der Befindlichkeit des Tieres ermöglicht es dem Kind, sich in seinen Interaktionspartner einzufühlen und Entscheidungen für einen erfolgreichen Prozess zu treffen. Ausgehend vom gescheiterten oder gelungenen Kontakt mit dem Tier lernt das Kind, über die Auswirkungen des eigenen Verhaltens nachzudenken (vgl. Bauer / Schmittat, 2002, S. 121 f.). Dadurch wird es auch im zwischenmenschlichen Kontakt sensibel für die Befindlichkeit seines Gegenübers. Verschiedene Untersuchungen belegen, dass es Kindern, die mit Tieren aufgewachsen sind, leichter fällt sich in die Gesellschaft einzufügen, sie sind kooperativer, weniger aggressiv, ausgeglichener und haben insgesamt stabilere Wesenszüge (vgl. Bauer / Schmittat, 2002, S. 32). Derart empathische Kinder können sich selbst stimmig mitteilen und sind eher in der Lage, die Signale ihres Gegenübers richtig zu entschlüsseln. Dies hilft ihnen,  Interaktionsprozesse erfolgreich zu gestalten und Störungen zu reduzieren oder zu vermeiden.

Beziehungs- und Konfliktfähigkeit
Tiere erleichtern die Kontaktaufnahme von Menschen untereinander, sie sind soziale Katalysatoren, d.h. sie erleichtern oder ermöglichen den sozialen Austausch mit Menschen und anderen Lebewesen (Olbrich, 2003, S.76). Es gibt ein unverbindliches Thema, über das sich ausgetauscht werden kann. Kinder bauen leicht und schnell Beziehungen zu Tieren auf. In diesem Beziehungskontext erfährt das Kind vorurteilsfreie Akzeptanz und Kontinuität. Fehler des Kindes im gemeinsamen Prozess mit dem Tier, ziehen nicht einen endgültigen Beziehungsabbruch nach sich. Vielmehr wird die Chance eingeräumt, durch Veränderung des eigenen Verhaltens erneut in den Interaktionsprozess einzusteigen. Das Kind lernt so, dass Konflikte zu einer lebendigen Beziehung dazu gehören (Stierlin, 1976), diese gewaltfrei ausgetragen und bereinigt werden können und die Beziehung zueinander aufrechterhalten bleiben kann.

Realistische Selbsteinschätzung
Tiergestützte Einsätze bieten Raum, sich selbst in einem unvorbelasteten Rahmen auszuprobieren und so zu einer realistischen Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen zu gelangen (Olbrich, 2003, S.264). Da diese Erfahrungen in einem neuen Kontext gesammelt werden fällt es leichter, die eigenen Grenzen ohne Versagensgefühle anzunehmen. Im Umgang mit dem Tier ist bezüglich der Fähigkeiten kein Vergleich mit dem Gegenüber möglich. Es setzt die eigene Wertigkeit nicht herab, wenn jemand erkennen muss, dass er unmöglich ein Wettrennen gegen einen Hund gewinnen kann. Deshalb kann er einfach ausprobieren, wie weit die eigene Schnelligkeit ausreicht. Gerade für Kinder, die aufgrund kognitiver und motorischer Einschränkungen mit Gleichaltrigen nicht konkurrieren können und / oder die wegen ihres schwierigen sozialen Verhaltens fast ausschließlich negative Rückmeldungen über ihre Person erhalten, bietet sich im tiergestützten Arbeiten die Gelegenheit, Situationen und Arbeiten erfolgreich zu bewältigen.

Hohe Eigenaktivität, Risikobewusstsein
Tiere regen zu umfassender Aktivität an. Wer z.B. mit einem Tier einen Parcours ausprobieren möchte, muss sich Gedanken über dessen Aufbau machen, diesen umsetzen, versuchen das Tier zur Zusammenarbeit zu motivieren und körperlich aktiv werden. Er muss dabei auch die eigene Sicherheit und die des Tieres berücksichtigen, d.h. mögliche Gefahren bedenken. Da die verschiedenen Aktivitäten dem kindlichen Bedürfnis nach Bewegung entgegenkommen, werden sie von dem Kind als lustvoll erlebt und gern wiederholt. Die Eigenaktivität wird damit belohnt und gefördert.

Kritikfähigkeit
Auch Tiere äußern Kritik. Dies geschieht jedoch in einer wertfreien Form, die den anderen nicht anklagt und ihm Schuld zuweist. Das Tier reagiert auf unangemessenes Verhalten mit einer Ablehnung der Kooperationsbereitschaft. Da dies nonverbal geschieht, erlebt das Kind sofort die Folgen seines Verhaltens, kommt aber nicht in die Situation, dass es sich rechtfertigen muss. Auch wird es nicht mit verbalen Schlüsselreizen konfrontiert, die dazu führen in erlernte negative Reaktionsweisen zu verfallen. Dies ermöglicht ihm, auf die Kritik des Tieres einzugehen, die Beweggründe für sein Verhalten zu hinterfragen und dementsprechend darauf zu reagieren. Es kann anerkennen, dass die Kritik aus Sicht des Gegenübers berechtigt sein kann, diese es aber als Person nicht vollständig in Frage stellt. Ebenso übt das Kind im tiergestützten Prozess in manchen Situationen Kritik am Tier. Es macht z.B. dem Hund verständlich, dass es nicht angesprungen werden möchte. Nur dieses eine Verhalten des Tieres lehnt es ab, die Beziehung zueinander bleibt davon unberührt. Auf diesem Wege kann das Kind erleben, dass Kritik nicht bedeutet, die Beziehung zueinander in Frage zu stellen, sondern notwendig ist, um miteinander in Kontakt bleiben zu können.